Jusos Tuttlingen

 

„Kiehn steht für Drittes Reich“

Veröffentlicht in Presseecho

Die Neckarquelle, 29.10.08

Jusos fordern Umbenennung der Fritz-Kiehn-Halle und des Fritz-Kiehn-Platzes

In einem offenen Brief fordern der Juso-Kreisvorsitzende Fabi­an Rothfuss und der Vorsitzende der Juso-AG Trossingen, André Landau, Trossingens Bürger- meister Dr. Clemens Maier auf, sich für eine Umbenennung der Fritz-Kiehn-Halle und des Fritz-Kiehn-Platzes einzusetzen.

Trossingen. Die Jusos hatten bereits auf ihrer Sitzung am 30. Juni beschlossen, sich im Herbst an Bürgermeister Maier zu wenden, da sich mit dem 9. November 2008 Ereignisse jähren, die die historische Verantwortung einmal mehr bewusst machten. „Als aktive Demokratinnen und De­mokraten können wir diesen Zustand nicht länger akzeptieren", so die SPD-Nachwuchsorganisation.

„Fritz Kiehn gründete nach seinem Eintritt in die NSDAP 1930 die Trossinger Ortsgruppe und wurde deren Vorsitzender. In den darauffolgenden Landtags- und Reichstagswahlkämpfen war er einer der wichtigsten Agitatoren der NSDAP in Württemberg", heißt es in einer Pressemitteilung. Durch die beträchtlichen Geldspenden des mittelständischen Unternehmers habe es die NSDAP in Württemberg in bis dahin ungekanntem Ausmaß geschafft zu agieren und eine Massenpartei zu werden. Bis zu seiner Wahl in den Reichstag 1932 sei Fritz Kiehn auch Kreisleiter der NSDAP gewesen.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme sei er zum „Kreisinspektor zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ ernannt wor­den. Die Jusos: „Seine Aufgabe bestand darin, politisch missliebige oder jüdische Beamte aus dem Staatsdienst zu entlassen. Damit war er für die Durchführung der Gleichschaltung in der Region verantwortlich.“

Fritz Kiehn sei 1933 in die SS eingetreten und dort, insbesondere aufgrund seiner großzügigen finanziellen Zuwendungen, schnell aufgestiegen. 1938 sei er in den „Freundes­kreis Reichsführer SS“ aufgenommen worden. Damit habe er zu einem Zirkel von ausgewählten Industriellen gehört, „die die SS und das Regime massiv unterstützten“.

Seit 1934 sei Fritz Kiehn Präsident der Wirtschaftskammer für Württemberg-Hohenzollern gewesen. Dieses Amt und seine Position in der SS habe es ihm als „Führer der württembergischen Wirtschaft“ ab 1938 ermöglicht, sein Unternehmen durch die „Arisierung“ von Firmen jüdischer Eigentü­mer zu vergrößern. Im Winter 1944/45 habe er mehrmals Heinrich Himmler und dessen Stab in seiner Trossinger Villa beherbergt.

Nachdem sich Fritz Kiehn im März 1945 aus Trossingen abgesetzt hatte, sei er im Mai in Innsbruck festgenommen und bis 1949 inhaftiert worden. „Nach einem langen Entnazifizierungsverfahren, bei dem Zeugen mit Nazi-Vergangenheit für ihn aussagten, wurde er im Dezember 1949 von der Spruchkammer Tübingen als „minderbelastet“ eingestuft. 1954 wurde er auf Basis des Zweiten Straffreiheitsgesetzes sogar amnestiert“, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Nach seiner Entnazifizierung sei Fritz Kiehn ein reibungsloser Wiedereinstieg in die Gesellschaft gelungen. 1953 sei er mit der höchsten Stimmenzahl in den Trossinger Gemeinderat gewählt worden und habe sich durch seine Spendenbereitschaft für Trossinger Vereine und Institutionen wieder seinen alten Platz in der Trossinger Honoratiorengemein­schaft erorbert. 1955 habe ihm die Stadt Trossingen seine nach dem Krieg aberkannte Ehrenbürgerwürde von 1935 zurückgegeben. 1957 habe er den Neubau einer Großsporthalle zu einem großen Tel finanziert. Diese Halle sei daraufhin nach ihm benannt und trage den Namen „Fritz- Kiehn-Halle“ bis heute. 1960 habe man den Platz zwischen dem Gasthaus „Rose“ und dem Efka-Werk zum 75. Geburtstag des Ehrenbürgers in „Fritz-Kiehn-Platz“ umbenannt. Für die Jusos stehe der Name Fritz Kiehn „unweigerlich für das Dritte Reich und für die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft, die ihre Vergangenheit nicht aufarbeitete und sie verdrängte“.

„In seiner weltweit beachteten und anerkannten Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985 sagte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker: ,Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind ver- antwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird'. Wir Jusos sind uns dieser Verantwortung bewusst“, heißt es in der Pressemitteilung abschließend.

 

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