Jusos Tuttlingen

 

Jusos entfachen Kiehn-Diskussion neu

Veröffentlicht in Presseecho


Hat erneut die Diskussion entfacht: Fritz Kiehn und seine nationalsozialistische Vergangenheit. Photo: Gränzbote

Gränzbote, 07.11.08

TROSSINGEN - Fritz Kiehn, der Wohltäter – Fritz Kiehn, der Nazi. Ein offener Brief der Jusos an Trossingens Bürgermeister Dr. Clemens Maier, in dem sie die Umbenennung von Fritz-Kiehn-Halle und Fritz-Kiehn-Platz fordern, hat in Trossingen wieder die Diskussion um die Vergangenheit des Trossinger Unternehmers entfacht.

Von Eric Zerm und Verena Oklmann

„Ich habe die Jusos zu diesem Schritt ermutigt, weil ich der Meinung bin, dass die Umbenennung jetzt wirklich überfällig ist“, sagt Dieter Goerlich, Vorsitzender der SPD-Ortsgruppe. „Stellen Sie sich vor, Sie sind zum Beispiel mit einem Franzosen bei der Halle und er will wissen, wer Fritz Kiehn war. Was sagen Sie denn dann?“ fragt Goerlich. Für richtig empfände er es, die Halle und den Platz nach einem wirklich demokratischen Politiker zu benennen.

„Für historische Verantwortung ist es nie zu spät“, äußert sich Fabian Rothfuss, Juso-Kreisvorsitzender. „Und für uns als im Landkreis Tuttlingen ansässige politische Jugendorganisation fängt die historische Verantwortung vor der eigenen Haustüre an.“

„Ich wäre nach wie vor dafür, zumindest den Fritz-Kiehn-Platz umzubenennen, um ein Zeichen zu setzen, dass wir uns von der NS-Zeit distanzieren“, äußert sich Bündnis 90/Die Grünen-Gemeinderätin Susanne Reinhard-Klotz zum Thema. Große Hoffnungen, dass sich das umsetzen lässt, hat sie aber nicht.

Mit den Worten „kalter Kaffee“ beschreibt der Trossinger Thomas Birk die Forderung der Jusos. Dabei bezieht er sich auf die Diskussion, die zuletzt im Jahr 2000 durch die Kiehn-Biografie von Hartmut Berghoff und Cornelia Rauh-Kühne ausgelöst wurde. Die braune Vergangenheit Kiehns kochte seit seinem Tod 1980 immer wieder hoch. So thematisierte Bernd Guido Weber 1982 „ein Trossinger Tabu“. Daraufhin wurde Weber in einem Leserbrief für seinen Mut gelobt, ein anderer sprach von „Verunglimpfung“, ein weiterer sah die Anstandspflicht verletzt, weil Weber schlecht über einen Toten schreibe. Sprengstoff war auch Claus Hinrich Casdorffs Buch „Weihnachten 1945 – Ein Buch der Erinnerungen“, das 1994 in der „Trossinger Zeitung“ thematisiert wurde unter der Überschrift „Massenmord-Planer und SS-Chef Himmler fühlt sich in Trossingen wohl“.

Kiehn engagiert sich

Dass Fritz Kiehn nach dem Krieg ein anderes Gesicht bekam und sich sehr für die Menschen und die Stadt engagierte, ist für viele Bürger und Stadträte aber ein Anlass, ihm den Namen von Platz und Halle nicht abzuerkennen. „Meiner Meinung nach hat Fritz Kiehn zwei Leben geführt. Eines zur Zeit des Nationalsozialismus und eines danach“, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Clemens Henn. Nach dem Krieg sei er ein vorbildlicher Unternehmer gewesen. „Ich bin auf keinen Fall dafür, Platz und Halle umzubenennen“, sagt Hans Trümper, (CDU). „Dann müsste man auch die Kirchenglocken abhängen, die Fritz Kiehn gespendet hat.“ Kiehn habe nach dem Krieg viel Gutes bewirkt und habe sein Verhalten während der NS-Zeit auch bereut. Auch die Bläserbuben und die Stadtkapelle gäbe es ohne Kiehn nicht. „Man kann Dinge aus der Vergangenheit nicht ändern, man muss dazu stehen“, ist die Meinung von Heinz Messner (Freie Wähler). Halle und Platz nach so vielen Jahren umzubenennen, hätte auch etwas mit Verdrängung zu tun. Darüber hinaus ist er der Meinung, dass es jungen Menschen nur bedingt zustehe, auf diejenigen zu zeigen, die die NS-Zeit wirklich erlebt hätten.

Sehr zögerlich geht die SPD-Frakton im Gemeinderat mit dem Thema um. Vor einigen Jahren sei der Antrag, die Halle umzubenennen, abgelehnt worden, daher werde sie jetzt keinen weiteren Versuch starten, heißt es.

Bürgermeister Dr. Clemens Maier hat unterdessen die Jusos zu einem Gespräch ins Rathaus eingeladen. Halle und Platz jetzt umzubenennen, dafür sieht er keinen Anlass. „Seit 2000 liegt ja keine neue Sachlage vor.“

 

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